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Gründungsstory Teil 2
Gründerinnen vs. Kapitalismuskritikerinnen
Mein Ziel für diesen Blog-Eintrag war eine einleuchtende Erklärung unserer Gedanken, unserer Dilemmata, unsere Ziele, Ängste, Ambivalenzen und Knoten im Kopf zu uns selbst als Gründerinnen eines wirtschaftlichen Unternehmens, obwohl wir doch eigentlich beide den Kapitalismus kritisieren und als Gesellschaft überwinden wollen. Vorneweg: Diese Erklärung wird schiefgehen. Aber sie ist ein Versuch, Transparenz in unsere Gedanken und Handlungen zu bringen.
Im ersten Teil unserer Gründungstory habe ich ja schon über die Ideenfindung und wie die ersten Schritte waren berichtet. Da war für uns vor allem klar: Wir wollen gerechte Spielkarten unter die Leute bringen und wollen die alten Spielkarten ersetzen. Ja, und damit ging es los. Wenn wir in Deutschland ein Produkt verkaufen wollen, müssen wir das in einem festgelegten rechtlichen Rahmen tun, was ja Sinn ergibt. Leider ist es dabei recht egal, ob es sich um ein sinnvolles Produkt handelt (obwohl sich natürlich über Sinnhaftigkeit immer streiten lässt) oder ob nur der 94389545. Pulli auf den Markt gebracht werden soll. Also erübrigte sich für uns leider eine Vereins- oder Genossenschaftslösung oder eine gGmbH (g für gemeinnützig), weil reiner Spielkartenverkauf damit nicht zu vereinen ist, auch wenn die Spielkarten eine gemeinnützige Idee verbreiten (unserer Meinung nach zumindest). Also gründeten wir eine GbR (Gesellschaft bürgerlichen Rechts). Diese Rechtsform ermöglicht es einem, einfach zu gründen und wir brauchten kein Kapital (wie bei einer GmbH) und auch keine Notar*in oder Anwält*in. Leider ist eine GbR ein sehr kapitalistisches Unterfangen. Die Gewinne und Anteile gehören den Gesellschaftern (also uns) und wir können damit an sich machen, was wir wollen. Das wir uns selbst nicht bereichern, sondern maximal unseren Lebensunterhalt irgendwann (in sehr ferner utopischer Zukunft – dachten wir damals) mal davon finanzieren wollen würden, war von Anfang an klar. Wirtschaften soll nach unserer Auffassung etwas Gutes für alle bedeuten. Ein Spendenmodell war daher von Anfang an fest integriert. Dazu an anderer Stelle mehr. Wir wollen langfristig ein Purpose Unternehmen in Verantwortungseigentum werden, aber aktuell kommt eine GmbH-Gründung, die dafür benötigt wird, aus finanzieller und administrativer Sicht nicht in Frage. Aber das ist nicht unsere einzige Baustelle.
Wir sind mit viel Energie gestartet. Die Vision auf leicht verständliche Art eine Idee von Gendergerechtigkeit und Vielfalt in die Breite der Gesellschaft zu tragen und damit Diskussionen und Verständnis außerhalb unserer „Bubble“ anzuregen, ist toll. Wir bekommen viel positives Feedback (neben viel Hate – aber das ist ein anderes Thema) und wir können unsere eigenen Ideen umsetzen und selbstbestimmt leben und arbeiten.
Aber was trotzdem bleibt ist das Unbehagen. Das Unbehagen in einer kapitalistischen Welt, wo Krisen auf Krisen folgen, ein Unternehmen zu gründen. Wir haben klare Werte, die uns sehr wichtig sind. Aber plötzlich sehen wir uns damit konfrontiert PayPal Geld zu zahlen, um möglichst einfache Bezahlarten auf unserer eigenen Webseite anzubieten, weil Vorkasse halt leider doch sehr unpraktisch ist und niemand nutzen möchte. Wir müssen Instagram und Facebook bespielen, um unser Produkt – und damit ja unsere Vision – bekannt zu machen. Spätestens wenn die Verkaufszahlen schlecht sind und wir Angst haben, uns im nächsten Monat keinen Lohn mehr auszuzahlen zu können, fangen wir dann doch an darüber zu diskutieren, ob wir es vertreten können, Social Media Werbung zu schalten, d.h. Meta Geld zu bezahlen oder unsere Produkte nicht doch auf Amazon anzubieten. All diese Ding sind eigentlich ein No-Go für uns, aber wir leben aktuell davon, dass Menschen unsere Produkte kaufen.
Und mit diesem Unbehagen fragen Jana und ich uns manchmal tatsächlich, wo wir mit Spielköpfe eigentlich gelandet sind und dann wird’s anstrengend:
Auch vor Spielköpfe befanden wir uns beide im ständigen Gedankenpendel zwischen trauriger Verzweiflung über die Missstände unserer Welt und unbändigem Aktivitätsoptimismus etwas Gutes für die Welt zu tun. Wir wollen dafür sorgen, dass die Welt zu einem besseren Ort wird, so pathetisch das klingen mag, so wahr und ernst ist es gemeint. Und dann ein Unternehmen gründen?! Das von seinem Kern aus nach im Widerspruch zu allem steht, was die linkspolitische und anti-kapitalistische Jugend – also wir – will. Klar, wir sind ein Social Start-Up mit Betonung auf social; klar, wir wollen die Themen, für die wir einstehen vom ganzen Herzen in die Breite der Gesellschaft tragen; klar, wir setzen uns mit Verantwortungseigentum und der Purpose-Bewegung auseinander und werden diese Unternehmensform langfristig umsetzen; klar, wir kennen Stiftungsmodelle, Spendenansätze und mit Unternehmen verbundene Vereinsorganisationen; klar, wir wollen unseren Impact messen und vergrößern; klar, wir werden unsere betrieblichen CO2 Emissionen kompensieren und unsere Karten sind klimapositiv gedruckt.
Aber bei aller Liebe zu Spielköpfe und unseren Visionen und Missionen, ist „sinnvolles“ Wirtschaften wirklich die Alternative? Oder braucht es radikaleres? Ist unsere Zeit, die wir ehrlicherweise momentan viel mit Vertrieb, Administration und Verkauf verbringen müssen, um uns selbst und unsere tollen Mitstreiter*innen zu bezahlen, hier gut genutzt? Oder würden wir an anderer Stelle, in der Politik, im Aktivismus, in NGOs mehr bewirken? Was können wir überhaupt tun, um unsere Welt ein Stück gerechter zu machen? Ich weiß, das sind keine besonders innovativen Gedanken und klingt nach infantilem Weltschmerz der Generationen Y/Z. Aber dieser Weltschmerz begleitet uns nun seit der Gründung bzw. schon davor und ist daher in den Wurzeln unseres Unternehmens verankert. Und wir tun uns tatsächlich schwer damit. „Tu Gutes und rede drüber“ ist das Mantra der Social Start-Up Szene, aber was tut wirklich gut? Unserem Planeten, unseren Mitmenschen, uns?
Für uns bleibt das Unbehagen über die Nicht-Existenz der Antwort auf diese Frage bestehen vermutlich unser ganzes Leben lang – als Gründerinnen, als Kapitalismuskritikerinnen, als Aktivistinnen, als intersektionale Feministinnen, als Menschen.
Das klingt jetzt alles recht negativ und dramatisch und ich habe unseren spielerischen Ansatz in diesem Blog-Artikel wohl etwas verloren oder gar nicht gesucht. Aber es sind eben auch ernste Themen und tatsächlich beschäftigen diese Gedanken Jana und mich einfach enorm viel. Trotzdem werden wir Spielköpfe erstmal weiterführen und ausprobieren, wo uns diese Gedanken hinführen. Vielleicht schaffen wir es ein Unternehmen möglichst antikapitalistisch zu organisieren, vielleicht werden wir merken, dass uns das Unbehagen und die Widersprüche, die wir nicht auflösen können, zu sehr belasten. Wir sind gespannt.